Von Kette zu Kette
Glieder betasten nach Haltbarkeitslücken
ist unsere heutige Pflicht
und unser heiligster Wunsch.
In Ketten aus Ketten
Glieder begreifen nach Widerstandslöchern
in ___ macht uns zu Monstren //
der Selbstwahrnehmungslosigkeit.
Von Kette zu Kette
Glieder beschreiben und uns penibelisieren
ist unser Ruf, nicht eure Berufung,
mit der ihr versuchen könntet,
uns ein Näheverhältnis zu drehen.
Wir werden uns verinseln, bald.
Du willst dich schon lange eininseln
in dir in der ungefähren Nähe zu jenen
Nahen, die sich lange vor uns ausinselten.
Noch berechnest du dir deine Koordinaten,
an denen du in vager Alleinsamkeit Insel sein kannst.
Sehen, aber nicht wahrnehmen wollen, du
willst die Zukunft sein, aber wenn es geht
möglichst vereinzelt verinseln, verorten.
Ich denke, ich könnte uns folgen.
Wir werden uns verinseln, bald.
Wir werden uns verinseln bald.
— matthias (@moewentag) 19. Dezember 2016
Heute und gestern und überhaupt
Kräftespiele mit dir,
Systemchen dir abzuringen
wie ein permanentes Seilziehen
im Sportunterricht damals, du
Formloses in mir.//
Merken
Jeden Tag ein neues Eigenleben im Kopf
heißt jeden Tag neue Dimensionen.
Jede Idee baut zwar auf auf das gefühlte
Wissen ihrer Vorgegangen, proklamiert aber
//neue Formen,
um eine Bewegung zu sein.
Wer hat die Definitionshoheit,
der Kopf oder der Gedanke?
Und wer springt vom Turm,
wer spannt das Netz?
Uneindeutige happy ends hinterlassen mir immer mehr emotional Unbehagen zurück. Die Menschheit überlebt, aber das Astronautenpaar muss sich in den Weiten der Galaxien erst nach dem Abspann suchen und finden. Ungewisses Auskommen, welches nagt.
Totales Scheitern könnte ich, denke ich, besser verkraften. Aber an Ambiguität im Glück kaue ich schwer. Vielleicht liegt es am Verlust des Körpers, durch den ich die Welt wahrnehme. Der Protagonist Cooper fliegt in der Endszene nochmal hinaus, um Co-Pilotin Dr. Brand zu suchen, doch bevor dieser Handlungsbogen abgeschlossen werden kann, endet der Streifen. Protagonisten sind in diesen handlungsgetriebenen Werken unser Werkzeug, durch welches wir die Diegese erkennen können, sie sind, wenn man weit genug greift, die Schnittstelle, die diese Diegese erst erzeugt. Und wenn Cooper ins Ungewisse verfliegt, verliert das happy end der Diegese ein wenig Wahrheit. Und das erzeugt Unbehagen in mir. Weil mit Cooper der Kontakt zur Welt flöten geht. (Hier schimmert meine gegenwärtige Lektüre Merleau-Pontys durch.)
Abgesehen davon ist natürlich die Darstellung von relativer Zeit fragwürdig, aber jede Darstellung von relativer Zeit ist wohl inhärent fragwürdig, nehme ich mal an. Das kann man also keiner künstlerischen Darstellung ankreiden, denn das kreative und damit immer schon zu einem Grade fragwürdige Darstellen physikalisch komplexer Gedanken ist ja deren Aufgabe, wie manche sagen. Ebenso ist das Erschaffen dieses tiefgreifenden Unwohlseins etwas, was ich mir erwarte mittlerweile.
In kleinen Zimmern sitzen und Glühkäfern nachjagen, von denen ich nicht weiß, ob sie der Herbstnacht oder meinen viel zu lange getragenen Kontaktlinsen entsprungen.
In kleinen Zimmern sitzen und augenblicklich jeden Dreh am Thermostat spüren, weil nie zu viel Abstand zwischen mir und dem Heizkörper unter dem schmalen Fenster zur Straße hin liegt.
In kleinen Zimmern sitzen und vom Souterrain aus unangreifbar die Basiskurve anheben, die in den sieben mitgebrachten Büchern aus dem Koffer Fragmente hergegeben hat zur freien Weiter- und persönlichen Selbstentwicklung. Silbern gezogene Horizonte, keinen Meter entfernt von jedem Punkt gewachsen, in den kleinen Zimmern, Linien, die sich als Membranen offenbaren, wenn ich sie in Ruhe beobachte, morgennachts und gerade dann, wenn keine Zeit mehr sich findet.
In kleinen Zimmern sitzen, lauschend dem Kopfhörerpaar, die da im Raum liegen, unter null, eine Monstranz, ein Altar, ein Monitor vielleicht, in dem alle potentiellen Ernstfälle erprobt und entfernt gerendert werden, vielleicht, in kleinen Zellen eines Seins aufgefangen.
In kleinen Zimmern sitzen und abrattern, Text –*
Heute bin ich drei Wochen in Bremen. Ein Zeitpunkt so gut wie jeder andere, um ein paar erste Eindrücke festzuhalten. Ein Zeitpunkt, der meinem persönlichen Empfinden nach besser ist als jener nächste Sonntag, weil das erste Monat ja doch in irgendeiner Form ein zu gerader Zug wäre.
Ich mag es hier. Die wenigen Menschen, die ich bisher kennengelernt habe, sind durchwegs erfreulich und umgänglich und – was wichtig erscheint – scheinbar mit mir und meiner Persönlichkeit kompatibel. Da die Uni hier allerdings erst morgen angeht, sind diese netten, kompatiblen Menschen zum Größtteil wie ich Erasmus-Leute, ich kann also noch gar nichts über den Bremer Charme von mir geben, sollte es einen solchen denn geben. Tut mir leid.
Eine Anekdote zur Versinnbildlichung der erfrischenden Mentalität hier habe ich aber doch: Gleich in meinen ersten Tagen wurde ich, vor einem Café wartend, Zeuge eines kleinen Verkehrunfalls, als ein heranrollendes Auto einen bei der Ampel wartenden Fahrradfahrer streifte. Weiter nicht umgewöhnlich, es schien nichts allzu Grobes passiert zu sein. Ich stellte mich nun, als der Wiener der ich bin, auf eine Tirade von abfälligen Kommentaren in Richtung des unschuldigen Fahrradfahrers ein, ehrlich, wieso muss er auch die Straße benutzen, die ist ja für Autos da, Leute haben es ja eilig, et cetera. Aber, oh Wunder, der ausgestiegene Autofahrer entschuldigte sich und in einem Augenblick fanden sich einige helfende Passanten. Formalitäten und Unfallnotizen wurden ausgetauscht, ohne das ein böses Wort fiel, wenn überhaupt schien die Stimmung gegen den, aus meiner unprofessionellen Meinung auch tendenziell schuldigen PKW-Lenker zu gehen.
Ich weiß noch nicht, ob das eine Folge der angeblichen deutschen rationalen, bürokratischen Weltsicht ist oder ein Phänomen der durchaus fahrradfreundlich ausgelegten Stadt Bremen. Auf jeden Fall bin ich innerlich schon ein wenig eingenommen von einem Ort, wo zumindest in diesem Fall ein Stärkerer nicht hingehauen hat und das auch offensichtlich niemand erwartet oder hingenommen hätte.
Das Café, vor dem ich wartete, ist vorerst mal neben meinem Souterrain-Zimmer meine Basis. Man bekommt dort verschiedene Tees ohne komisch angeschaut zu werden, weil man im Kaffeehaus keinen Kaffee ordert, ich hatte dort schon eine stundenlange Unterhaltung über Theatertheorie mit meinem zukünftigen Professor und außerdem ist es nach einem Märchen benannt. Ich habe also ein Café gefunden, ein Umstand, der mich hoffnungsvoll stimmt. Es ist immer ein Meilenstein, in einer neuen Stadt ein Stammcafé zu finden. Ob das Rotkäppchen ans Jelinek herankommt, wird sich weisen. Erstmal bin ich soweit eingerichtet. Das Semester kann beginnen.
Das Wintersemester 16/17 verbringe ich via Erasmus an der Universität Bremen. Ab und zu werden hier also mehr klassische Blogeinträge à la Tagebucheintrag raufgehen, was aber hoffentlich auch die gewohnten Texte häufiger machen wird. Mal schauen.
Bleibt der Bus am Weg in die neue zeitweilige Bleibe in Bremen in Berlin stehen, bleibt man ein paar Tage da und geht ins Theater. Macht man halt so.
Heute sah ich in der Volksbühne die Apokalyse nach Johannes, frisch von Herbert Fritsch inszeniert. Dass das letzte Stück, über welches ich hier schrieb, auch eine Fritsch-Inszenierung war, soll nichts heißen, ich wollte bei all dem Geschrei um die Volksbühne nochmal hin und ein Pollesch ging sich eben zeitlich nicht aus. Und Apokalypse klang ja auch irgendwie situativ passend. Ich bin gerade zurück in meinem Zimmer und schreibe geschwind ein paar Beobachtungen und Gedanken dazu nieder. Nichts hier ist vollständig oder erhebt irgendeinen Anspruch auf ähnliches. Auf geht’s!
Von Beginn weg ist Johannes (gespielt von Wolfram Koch) präsent als Johannes der Nacherzähler, Johannes der Berichterstatter, der quasi gerade aus Marathon angelaufen kommt, seine eigenen Eindrücke schildert (im Auftrage des ausführenden Gottes) und wie es scheint gleich vor den Augen aller in sich zusammenbrechen könnte. Dass ihm Elisabeth Zumpe permanent aus einem großen großen Buch souffliert, bricht diese Erlebnisstruktur nicht, sie erinnert aber, dass das hier Bibel ist und alles hier, so sagt Johannes, Gottes seal of approval hat.
Nachdem ich anfangs ein wenig dieser Struktur nachgehangen bin, ist mir im Verlauf des Stücks dann doch eingefallen an was mich das alles hier erinnerte, mit der leeren neonfarben beleuchteten Bühne, dem storyteller, seiner Einflüsterin und dem DJ, der stets für die passende Soundkulisse sorgte: Was wir hier sahen, war eine keynote.
Johannes ist der Projektleiter und präsentiert den Shareholdern in Zahlen und Bildern den Erfolg der Apokalypse. Dass er dabei scheinbar fluid zwischen den Perspektiven des beobachtenden Menschen, des handelnden Gottes (samt seiner Werkzeuge, sprich Engel) und dessen notwendiger Kehrseite, des Teufels wechselt, ist durchaus notwendig für diese umfassende Präsentation im Stile von Apple und Co. Es geht nur noch zum Teil darum, was passiert ist, ebenso wichtig ist nun, wie und weshalb geschieht. Johannes braucht eine gute Anekdote, um die Zusehenden, alles potentielle Käufer und Käuferinnen von Apokalypse, auf seine Seite zu ziehen.
Das war’s auch schon, vorerst mal. Eigentlich wollte ich nur diese Idee der keynote, die mir ungefähr auf halber Höhe kam und nicht mehr wegging, anbringen. Ich mochte den Abend, alles war schön und gut und mitreißend. Alles was man sich vom Ende der Welt so erwartet. Und als guter Theaterjünger hab ich natürlich nach der Vorstellung ein „Ich war dabei!“-Poster von der alten Volksbühne beim Merchstand besorgt. Und einen Pollesch-Band mit Kapitalismus im Titel. Wäre ja sonst auch nichts.
Löst man sich auf, um theoretisch zu werden?
Ich weiß nicht mehr, ob der der Aktion noch zu trauen ist,
ist noch zu erkennen, ob wir springen oder gestoßen werden?
Nur der Sturz ist das, was er scheint, Beschleunigung auf ein Ziel zu,
uns Stürzenden unbekannt und trotzdem vom Moment null bestimmt.
Ich vertraue noch dem Sturz als Einheit der geordneten Energiegerichtetheit,
denn der Sturz hat keine Vendetta. Glaube ich.
Wir leben in Ikarus‘ Tagen, wir sollten ihm
//Flattern lauschen.