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interstellar dread in archiv,

Uneindeutige happy ends hinterlassen mir immer mehr emotional Unbehagen zurück. Die Menschheit überlebt, aber das Astronautenpaar muss sich in den Weiten der Galaxien erst nach dem Abspann suchen und finden. Ungewisses Auskommen, welches nagt.

Totales Scheitern könnte ich, denke ich, besser verkraften. Aber an Ambiguität im Glück kaue ich schwer. Vielleicht liegt es am Verlust des Körpers, durch den ich die Welt wahrnehme. Der Protagonist Cooper fliegt in der Endszene nochmal hinaus, um Co-Pilotin Dr. Brand zu suchen, doch bevor dieser Handlungsbogen abgeschlossen werden kann, endet der Streifen. Protagonisten sind in diesen handlungsgetriebenen Werken unser Werkzeug, durch welches wir die Diegese erkennen können, sie sind, wenn man weit genug greift, die Schnittstelle, die diese Diegese erst erzeugt. Und wenn Cooper ins Ungewisse verfliegt, verliert das happy end der Diegese ein wenig Wahrheit. Und das erzeugt Unbehagen in mir. Weil mit Cooper der Kontakt zur Welt flöten geht. (Hier schimmert meine gegenwärtige Lektüre Merleau-Pontys durch.)

Abgesehen davon ist natürlich die Darstellung von relativer Zeit fragwürdig, aber jede Darstellung von relativer Zeit ist wohl inhärent fragwürdig, nehme ich mal an. Das kann man also keiner künstlerischen Darstellung ankreiden, denn das kreative und damit immer schon zu einem Grade fragwürdige Darstellen physikalisch komplexer Gedanken ist ja deren Aufgabe, wie manche sagen. Ebenso ist das Erschaffen dieses tiefgreifenden Unwohlseins etwas, was ich mir erwarte mittlerweile.



Dreamhopping – Filmrezension „Ebenda“ in archiv,

Schon eine Stunde vor Einlass in den Kinosaal war das Schikaneder in Wien voll, als gestern Abend das Filmdebüt von Katharina Braschel und Chili Tomasson über die Leinwand ging. Und zurecht.

„Ebenda“ setzt an, scheinbar den Alltag einer radikalen Gruppierung von Träumern um die ominöse Capitana Élise auf ihrem Weg zu Ebenda, einem Kunstwort und einer Art paradiesischen Friedenszustand, zu zeigen. Mit Fortschreiten des Films löst sich dieser Alltag jedoch in einer Reihe von Episoden auf, bei denen die Grenzen dieser Realität immer weiter ausgedehnt werden. Man stellt die Vermutung an, dass man nun in einem von Capitana Élise initiierten Kollektivträumen angekommen ist, dabei verschwimmen allerdings nicht nur die Grenzen zwischen Traum und Realität, auch innerhalb des Traumes scheinen die einzelnen Träumer ihre Verstecke gefunden zu haben, zu denen sie uns nun für einen Moment Zugang gewähren. Dabei trifft man auf die verschiedensten Tätigkeiten, denn deutlich wird, alle Szenen zeigen unheimlich aktive Menschen, auch wenn sie in einer Badewanne liegend gezeigt werden.

Die beiden Filmschaffenden haben einen Modus für ihren Film gefunden, der die Träume ohne solchen Sequenzen sonst oft anlastenden Kitsch zeigt, unterstützt von einem hervorragenden Soundtrack werden die Episoden recht nüchtern aber mit viel Acht aufs Detail gelebt. Dass der Film gänzlich ohne gesprochene Dialoge auskommt, unterstützt die Verwirklichung dieser Visionen noch zusätzlich; in Träumen muss man schließlich nicht reden, die Figuren wissen ohnehin, was sie sich zu sagen haben. Und wenn ein Film 54 Minuten ohne Text auskommt ohne Längen zu zeigen oder unverständlich zu werden, spricht das auch Bände für ihn.

Erstaunlich ist die klare Bildsprache: Ob nun in der Betrachtung eines Kunstwerkes oder dem meditativen Umschütten von Reis, der Film bringt es fertig, eine Ruhe auszustrahlen, ohne jemals passiv zu werden. Das die Traumcollage von einem ausdrucksstarken Ensemble getragen wird, das den beiden Köpfen von „Ebenda“ und sich sichtlich vertraut, macht es möglich neben dem Kollektivraum der Wohnung, in der jeder Traum seine Ecke hat, einen zweiten Faden durchgängig durch den gesamten Film zu ziehen, was der Interpretation der Einzelszenen im Zusammenhang zugute kommt.

Allen, die sich beim Filmschauen gerne Gedanken machen, kann ich „Ebenda“ wärmstens empfehlen, es ist ein langsamer Film, der seine Strukturen und Geheimnisse erst nach und nach Preis gibt, doch das gehört zu seinem Appeal. Die beiden Verantwortlichen liefern auf jeden Fall ein starkes Debüt ab, dass sich abseits von Kurzfilmgenrenormen bewegt und trotzdem nicht zum unverständlichen Arthousemovie wird. Man darf gespannt auf mehr sein!

Wer „Ebenda“ noch auf der großen Leinwand sehen will, hat vorerst noch am 30.10. die Chance, wenn der Film seine Salzburg-Premiere im daskino feiert. Ansonsten kann man ihn auf DVD erstehen, ebenso wie den ausgezeichneten Soundtrack. Meiner Meinung nach wird sich die Investition leisten, ich habe schon jetzt das Gefühl, noch neue Details am Weg nach Ebenda zu finden. Außerdem findet sich in der DVD die dem Film zugrundeliegende Kurzgeschichte, die dem Ganzen ein wenig Kontext verleiht. Ich würde allerdings empfehlen diesen Text erst nach Ansehen des Films zu lesen, so kann sich erst der richtige Aha-Effekt einstellen.

Ebenda-Facebookgruppe

Ebenda-Premiere in Salzburg, daskino

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iterationen ist mein digitales journal.

Iterationen deshalb, weil das hier eine neue Iteration einer alten, sich entwickelten Instanz ist, aber auch weil sich hier immer neue Iterationen von Gedanken finden werden.