Du schaust durch ein Fenster wie Apfelsaft und siehst erst mal nichts
// … außer Apfelsaft.
Die Augen schaffen es noch nicht, auf ein mögliches Dahinter scharf zu stellen,
das erfordert deine ganze Aufmerksamkeit,
die du ihm aber partout nicht schenken willst.
Deswegen weiterhin:nur Apfelsaft //
– und animierte Schemen, die müssen reichen.
Die animierten Schemen reden tanzen, trinken,
aber du ahnst nur Mundöffnung, hörst Holzbodenknacken
– durch den Apfelsaft. //
Die animierten Schemen trinken, trinken
und du hoffst, sie trinken dem Fenster
// den Apfelsaft aus und schüfen Klarheit.
Aber diesen Gefallen tun sie dir nicht – niemanden.
Selbstschlucken musst du für deine Brillanz, die dir so heilig ist, wie du stets betonst.
Selbstschlucken, während die animierten Schemen
lachen über dich und über deinen trinkenden Kopf
frischgepressten Apfelsaft leeren. //
Dieser Text ist ein Beitrag zum Wort trüb in Dominik Leitners .txt-Projekt.
Zwei Menschen sitzen an einem Gartentisch vor der gelben Stuckfassade eines alten Herrenhauses. K., Ende zwanzig, trinkt Mineralwasser mit einer einzelnen Zitronenscheibe. Z., Jahrgang 1935, trinkt Kaffee, schwarz, Milch in einem Achtelglas nebenbei. Auf der anderen Straßenseite sammeln sich einige Jugendliche in gleichförmigen, silbernen Plastikanzügen.
Z: Siehst du die? Was die wohl tun hier?
K: Wen? Ach, die, die werden wohl agitieren. … Schweinehunde.
Wirklich eine Gemeinheit das.
Die Jugendlichen holen Spraydosen aus einer Sporttasche und beginnen, Menschenverachtendes an die Wand zu schreiben.
Sind dort. Hoffentlich bleiben sie … Hey! Lasst das. Hoffentlich dort.
Fast wie damals. Heute Wände, damals eben Auslagenscheiben. Und ich mittendrinnen, sag ich dir … Schweinehunde.
Sag, Opa, wie war das? Fandest du das gut damals? Vom Jetzt ganz unabhängig, natürlich.
Scweinehunde, alle! Und ich mittendrin. … Hey! Lasst das doch.
Du mittendrin. Wieso dann nicht woanders, Opa?
War erfordert. Weißt du doch. Konnte ja nicht. … Weil Zukunft. Da Jetzt.
Das ist wirklich schwach, Opa. So gegen das eigene Besserwissen … Was schreiben die eigentlich, die Agitierenden? … Hey! Lasst das doch bitte endlich! … Schweinehunde, schreiben dort Menschenverachtendes.
Die Agitierenden haben ihre Wand gänzlich in Farbe getaucht, sodass durch die Fülle der Schrift das Menschenverachtende im Ganzen aufgeht und schwer erkenntlich, für den zufälligen Passanten nicht mehr sichtbar sind und nur eine schwache Prägung auf der Oberfläche mancher Gedanken hinterlassen. Sie, die Agitierenden, bemerken jetzt die beiden auf der anderen Straßenseite und kommen, um auch die gelbe Stuckfassade des Herrenhauses zu beschreiben.
Jetzt kommen sie her, wunderbar.
Die Agitierenden sprühen unbeeindruckt durch diese wenig aggressive Unmutsbekundung Menschenverachtendes auf die gelbe Fassade.
Das ist wirklich. … Schweinehunde.
Willst du sie nicht abhalten, irgendwie? … Hey!
Kann doch nicht. Lass sie tun … Solange sie nur agitieren.
Hast du auch wieder recht, jaja. Wie damals.
Ist schon schlimm. Mittendrin, wir hier. Scheiße. … Wir Scheiße, scheiße, scheiße.
Innendrin ganz. Vielleicht sollten wir doch.-
Die Agitierenden kommen an den Tisch, schauen die beiden an und beginnen, als K. den Kopf nur undeutlich in diverse Richtungen bewegt, Menschenverachtendes auf seinen Körper zu schreiben. Der muss sich winden, um noch sprechen zu können, ohne Lackspray zu schlucken. Die Augen hält er geschlossen.
Viel zu sehr innen. Schweinehunde. Wir haben keine Zeit. Etwas grüne Farbe berührt seine Zunge und seine Mundhöhle. Hey!
Komm eben auf meine Seite! Von hier aus kannst du dich.-
Kann doch nicht.
Die Agitierenden packen ihre Spraydosen in die Sporttasche und nehmen K. auf ihre Schultern. Dann tragen sie ihn, aufgrund seines, von ihnen unterschätzten, Gewichts langsam, weg. Die Sporttasche bleibt auf dem Sessel zurück.
Kann doch nicht. Weil Zukunft!
…
Wie damals. Heute Wände, damals dann Schaufenster. Weil Zukunft. Zerbrechen mittendrin.
Z. stellt seinen Kaffee, schwarz, auf die Untertasse am Tisch. Dann leert er die Milch in die Tasse und schwappt den Rest aus. Dann die Zitronenscheibe des
OpfersKollaborateurs.
Dies ist mein erster Text zu Dominik Leitners .txt-Projekt. Das entscheidende Wort lautete „Gratwanderung„.