iterationen//erstgewesen
iterationen//erstgewesen zurück zu erstgewesen.com// archiv// impressum// kontakt datenschutz

Mein Augenlicht in archiv,

Mein Augenlicht hatte ich in der Schule vergessen, weshalb ich am Heimweg das Elend, das mir ins Gesicht springen wollte, nicht bemerkte und folglich links liegen ließ.
Als ich am nächsten Tag wieder sehen wollte, war es schon mit jemand anderem gegangen und ich blieb weiterhin allein.
In Betracht der weiteren Geschehnisse wohl besser so. Denn das Elend wurde gemütlich und undurchsichtig. Als dieser andere, mit dem es mitgegangen war, erkannte, was es war, nämlich das Elend und nicht etwa eine selbstbefüllende Dose Bier, ließ er es ebenfalls bald – nahezu mit sofortiger Wirkung – links liegen, während dieser andere rechts weiterging. Was das Elend wütend machte und es dazu brachte, ihm mit hitzigem Geheul zu folgen. Was wiederum keinen gerade ruhigen Schlaf gewährleistete, wie der andere mir später gestand, als wir Freunde geworden waren. Und ruhiger Schlaf, der war und ist mir immer schon entscheidend gewesen.
Von all dem wusste ich nun aber nichts. Ich war daher betrübt. Und wie das so ist, führt die Betrübtheit zu nichts, außer Kurzschlussreaktionen.
Meinen Schuldigen an der Misere fand ich und begann daher immer häufiger, mein Augenlicht nach dem Unterricht mit den Filzpantoffeln in den Spind zu sperren. So übersah ich das meiste und erlebte ebenso viel.
Anfangs machte mir das Dunkel noch Angst, ich bereute mein Tun spätestens zuhause bei den auftretenden Problemen mit den Aufgaben. Auf so einen dunklen Tag gab ich mein Augenlicht wochenlang nicht aus der Hand.
Doch es war auch aufregend und so tat ich es immer wieder und häufiger. Bald wurden meine Schritte sicherer und mit etwas Geschick und List lernte ich auch im Unterricht unter dem Radar zu bleiben, was mir die ewigen Predigten der Lehrer mein Augenlicht betreffend ersparte. Ich kam also ganz gut durch.
Ich schaffte es, durch Übung und Präzision, die notwendige Langsamkeit zur Grazie zu formen und aus meiner Bewegung ohne mein Augenlicht ein Markenzeichen zu machen. Mit den Zeiten legte ich auch das letzte Stolpern ab, behielt mir aber die Distanz, ich war für alle stets in Sichtweite, aber auch nie näher. Als ich meinen Abschluss machte, war ich unfassbar geworden.
Die darauffolgenden Jahre waren von einem strahlenden Erfolg geprägt. Mein Augenlicht trug ich jetzt nur noch zu Anlässen. Bei diesen erklärte man mir dann stets unisono, wie glänzend dieses nicht sei, wie neu würde ich aussehend, unwissend, wie neu mir mein Augenlicht in Wirklichkeit war. So eroberte ich in einer ungesehenen Leichtigkeit Gesellschaften, in denen ich meiner Herkunft nach nicht einmal Sekt servieren hätte dürfen. Aber mein Auftreten war in diesen Kreisen schnell zu einer Sensation geworden und einem Spektakel stellt man keine Fragen, man liest ihm Wünsche von den Augen ab. Da ich keine hatte, nahmen sie mich herzlich auf und reichten mich durch die Ränge, bis ich eine Position erreicht hatte, die auch für mich ergiebig war.
Meine auftretende Unzulänglichkeit in Mode- und prinzipiellen Farbfragen überspielte ich mit einem Schwur auf schlichte Eleganz, mit schwarzen Anzügen konnte man glücklicherweise noch nie etwas falsch machen, was mir mein Augenlicht bei der Geburtstagsfeier meines alternden Förderers, dessen Geschäft ich bald darauf übernehmen sollte, bestätigte.
In der Position, die ich in diesem Unternehmen übernahm, wurde mein wahres Talent offensichtlich: Bauchentscheidungen. Ich hörte mich überall um und folgte dann blindlings meinem Gefühl und ließ danach agieren. Ich war ein Genie des Delegierens, ich war der unentbehrliche Mittelmann und tanzte am Parkett zwischen großen Männern und großen Informationen hin und sehr, so andächtig, dass mir viele bald aus freien Stücken ihre Fäden in die Hände legten.
Meinen Aufstieg durch die Gesellschaften konnte also kein Einhalt geboten werden. Denn sie alle vertrauten meinem Auftreten, meinem Antlitz, und ich entschied mich dazu, sie nicht zu enttäuschen. Also kam ich ganz gut durch.
Nach vielen Jahren gab ich Anfang diesen Jahres die Führung des Unternehmens meines Gönners, welches ich ganz zu meinem Geschäft gemacht hatte, ab und bezog am selben Tag meines Rückzugs aus dem Tagesgeschäft einen Aufsichtsratsposten. Und so tanzte ich auch dieses Jahr auf allen Parketts, die in meiner Branche von Bedeutung sind, Das war ein Glücksfall, wahrlich, denn es stellte sich bald nach meiner Pensionierung heraus, dass ich mich zuhause, als ich länger alleine und untätig war, nach meinem Augenlicht sehnte und begann, es immer häufiger aufzusetzen.
In mir wuchsen Erinnerungen an meine Kindheit, als ich noch gedankenlos mit ihm durch die Welt ging. So trug ich mein Augenlicht wieder mit ansteigender Regelmäßigkeit. Das besänftigte meine Retrospektive für eine Weile, doch als ich bemerkte, dass meine wachsende Sentimentalität zunehmende Gebrauchsspuren an meinem Augenlicht hinterließ, saß der Schock tief. Ich sperrte es rasch wieder ab und nahm mir vor, es in Zukunft noch spärlicher auszuführen.
So sah man mich wieder öfter in meinem alten Büro, wo ich allen hilfsbereit im Weg herumstand, bis meine Nachfolger eingestanden, dass sie auf meine blinde Gewissheit nicht verzichten wollten, ja, nicht konnten, weswegen sie mir einen Beraterposten anboten. Die Feierlichkeiten ließ ich allerdings immer mehr unbesucht verstreichen. Ich wollte mein Augenlicht nicht unnötig strapazieren und ohne entsprach es nun wirklich nicht der Abendgarderobe.
Doch ich hatte in den letzten Monaten das Gefühl, seit man mich nur noch im Büro, also nur noch ohne mein Augenlicht antraf, begannen die Menschen, den Respekt, den sie mir entgegenbrachten, von mir abzuziehen. Natürlich wurde auch jetzt noch jeder Rat, jeder Tipp, den ich von mir gab, minutiös umgesetzt, doch mir schien es, als ob sie es nur noch einer Idee von mir zuliebe taten, das aktuelle Ich, das war ihnen unverständlich geworden. Es war, als ob mit meinem Augenlicht auch das ihrige von der Bildfläche verschwunden war.
Allerdings konnte ich bisher mit diesem Gefühl gut leben und wollte keine Gedanken an mein Augenlicht oder an das Augenlicht anderer verschwenden. Seit Monatsanfang stürzte ich mich daher auf die Umstrukturierung, die ich vor Jahren angedacht, aber aufgrund des Fehlens des richtigen Umsetzers vor mir hergeschoben hatte. Nun, da ich das Tagesgeschäft abgegeben hatte, würde ich das selbst erledigen, dachte ich. Und ich ging mit festem Fuß ans Werk. Es geschah das, was ich mir erhofft hatte: Ich hatte eine neue Obsession gefunden. Aber bald erkannte ich, mit welcher Mühe es verbunden war, ohne Augenlicht tätig zu sein, ich verwand meine ganze Kraft darauf.
Vor zwei Wochen zog ich mich aus dem Büro zurück, der Anfahrtsweg schien mir eine überflüssige Verschwendung meiner Arbeitszeit zu sein. Zuhause stand mir dagegen nichts im Wege, den ganzen Tag mit dem Projekt zu verbringen. Irgendwo musste die Umstrukturierung ja beginnen.
So, vertieft in die systematische Veränderung der Welt um mich, fanden mich die Beamten vor, als sie heute um 11:15 läuteten. Sie mussten es mehrmals versuchen, bis ich sie hörte. Die letzten Nächte hatten zu wenig Schlaf gesehen, denn das Projekt nahm Formen an.
Ich hörte den einen, älteren Beamten etwas Längeres sagen, doch ich verstand nur, dass sie mich baten, sie auf das Revier zu begleiten. Schnell stimmte ich ein und zog mir die Schuhe an. Ob ich noch etwas anziehen wolle, fragte der jüngere Polizist, dafür wäre genug Zeit. Ich überlegte kurz, aber nein, das war kein Anlass für Festkleidung. Ich zog also nur eine Windjacke über.
Im Auto herrschte Stille. Ich wusste sie nicht zu deuten, da ich nicht wusste, zu welchem Zwicke sie mich abgeholt hatten. Durften sie nicht mit mir sprechen, wenn ich auf der Rückbank eines Polizeiwagens saß?
Ein Luftzug war spürbar, als der Mann vor mir sein Fenster öffnete. Er, es war der jüngere, fragte, ob das in Ordnung sei. Ich bejahte. Beistand zur Staatsgewalt, ich sah mich und meine Situation im Aufwind. Ich schien ganz gut durchzukommen.
Als wir am Revier zum Halten kamen, schien es mir, als wollte einer der beiden mir die Tür aufhalten, was mich wunderte, aber ich war schneller und stand schon neben dem Auto, als er bei mir ankam.
Beim Betreten des Gebäudes kam mir erstmals der Gedanke, dass es vermutlich hilfreich wäre, zu wissen, weshalb ich hier war. Worüber sie mit mir sprechen wollten.
In ruhiger, beruhigender Stimme des Älteren wurde der Name meines besten Freundes genannt und, dass ich jetzt sehr stark sein müsse. Ich verstand es nicht und als sie weitergingen in den nächsten Raum, konnte ich ihnen nicht folgen. Ein Beamter nahm mich am Arm. Ich müsse jetzt sehr stark sein, wiederholte er.
Man hatte ihn heute Morgen im Park gefunden. Kopfschuss, mitten durch die Ohren. Das Elend kniete neben ihm, als man ihn wegtrug. Ich verstand auch das nicht und fragte, was sie denn bitte von mir wollten, das solle man mir doch mitteilen. Identifizieren, wenn es geht. Ich war als seine Vertrauensperson eingetragen, auf einem Zettel, zusammengeknäult in seiner Geldbörse.
Es war ein Anlass. Ich konnte ihn nicht identifizieren, ich hatte mein Augenlicht zuhause gelassen. Ich wusste nicht, was zu tun war. Anscheinend zitterte ich, denn der Ältere legte seine Hand auf meinen Arm. Mein Atem beruhigte sich aber nicht, auch nicht, nachdem eine zweite Hand auf mir zu ruhen kam.
Ich brachte kein Wort heraus, ich wusste nicht, was ich tun konnte. Sollte ich der Polizei vielleicht sagen, dass ich mir nicht sicher war? Nein, das würde mir niemand abkaufen. Entweder er war es, oder er war es nicht.
Ich sollte ihnen einfach sagen, dass ich nicht fähig war, meinen Freund zu erkennen. Schlicht. Das war alles, was ich tun konnte, tun musste. Aber das konnte ich nicht, das würde alles zerstören, mein Leben, wie ich es kannte, wäre vorbei, wenn ich zugeben müsste, ohne mein Augenlicht auszukommen. Zwickmühle. Der Griff an meinem Arm wurde fester und auch das Zittern. Vielleicht zitterte ich nicht, vielleicht schüttelte der Mann mich auch, damit ich zu reden begänne. Nicht einmal das konnte ich unterscheiden. Ich hatte mein Augenlicht zuhause gelassen. Ich würde gestehen müssen.
Doch die Polizisten kamen mir zuvor. Mein Beileid, presste der Jüngere wie einen Befehl zwischen den Lippen hervor. Es klang aufrecht, so als ob er es ehrlich meinte, aber bis jetzt nicht die richtige Form dafür gefunden hätte.
Sie hatten mich aus der Affäre gezogen, meine körperliche Reaktion interpretiert, so dass ich kein Wort sagen musste. Entspannung. Ich hörte, wie eine Decke über etwas Kaltes gezogen wurde, wie sie für einen Moment an der Nase hängen blieb und sie im nächsten Moment zudeckte, für immer.  Vielleicht.
Ich drehte mich um und ging, nachdem ich mich vom Griff der Beamten gelöst hatte, wortlos. Ich nahm exakt den selben Weg zur Tür, auf dem ich herein gekommen war. Als ich die Tür hinter mir ins Schloss fallen hörte, fing ich an zu laufen. Mein bester Freund war vielleicht tot.
Ich wurde blind schneller, ich kannte ja den Weg. Vielleicht. Ich verstand nichts mehr, weil ich mein Augenlicht nicht abnutzen hatte wollen. Hatte ich jemals verstanden? Wie konnte ich glauben, irgendetwas zu wissen, irgendetwas zu kennen, Menschen oder das Geschäft, wenn ich meinen Augen nicht trauen konnte? Die Leute in der Firma, am Parkett hatten mir vertraut, mein Freund nannte mich vielleicht gar seine Vertrauensperson. Ich beschloss, sie nicht zu enttäuschen.
Ich beschleunigte meinen Schritt, ich würde nach Hause laufen und meinem besten Freund, wenn er es denn war, die Ehre erweisen, samt meinem Augenlicht. Schneller. Und von da an würde ich es wieder mit mir führen, denn woher wusste ich denn, was die Menschen um mich wirklich taten? Folgten mir die Beamten? Vielleicht. Schneller. In die nächste Straße links einbiegen, dann geradeaus. Ich dachte daran, einen kleinen Umweg zu nehmen, um die Verfolger abzuschütteln, aber schon im nächsten Moment verwarf ich die Idee eiligst wieder. Sie hatten ja ihr Augenlicht, das brächte also nichts. Stattdessen wechselte ich die Straßenseite. Nicht so hektisch, ich fühlte Schwindel aufsteigen. Sie konnten nicht. Da war niemand. Mein bester Freund war vielleicht tot. Niemand war da. Ich beruhigte mich etwas, musste einen Fuß fest auf den Boden setzen. Schwinden.  Vorsicht üben, ich wollte nicht stolpern, also blieb ich stehen.
Mein bester Freund war vielleicht tot. Ich hörte wieder die Decke, die mich zudeckte, kurz.
Ich sollte Blumen kaufen. Vielleicht würde ich ja jetzt das Elend sehen, vielleicht, jetzt wo er weg war, war es immerhin allein. Sie hatten gesagt, es war im Park gewesen. Ich hatte das Gefühl, es war noch in der Gegend.



Schleudertrauma in archiv,

Es war da, ganz plötzlich, unangekündigt. Und sie fühlte sich davon ein wenig vor den Kopf gestoßen.

Ein Dilemma von der Kette, ein Dilemma, ausgestattet mit tausenden von Ratgebern. Diese alle Ratgeber, die sich in tausenden anderen Dingen nicht ums Verrecken einig werden konnten, pflichteten sich hier allesamt bei: Es annehmen, Aktivität zeigen. Das geflügelte Wort fiel da: embrace. Aber sie konnte nichts tun, seit es da war. Nichts außer ihrer Waschmaschine beim Schleudern zuzusehen und immer wieder an ihrem Tee zu nippen. Grüntee mit Mandelextrakt, importiertes Relikt aus einer Zeit, lange bevor es da war und ihr in den Magen geschlagen hatte. Der Tee war zyklisch wie die Waschmaschine, sie vergaß ihn ständig, bis er kalt geworden war, um ihn dann leicht angewidert trotzdem zu trinken. Es wartete im anderen Zimmer, bestimmt wurde es schon unruhig, weil sie es so lange warten ließ. Embrace. Das Drehen der Waschtrommel.

Wenn es auf- und abgehen würde oder gar an die Zimmertüre klopfen würde, sie würde nichts bemerken, denn im Moment, da es vor ihr stand, fing jemand in ihren Gedanken an, lautstark Chopin zu hämmern. Sie hatte sich entschuldigt und erklärt, dass die Verbindung sehr schlecht sei und wollte schon auflegen, als sie bemerkte, dass sie gar nicht telefonierte und dass es da ganz real vor ihr stand. Daraufhin hatte sie sich wortlos in das andere Zimmer, das mit der Waschmaschine und dem Tee, gestohlen. Dort saß sie nun am Boden und wusste schon nicht mehr, ob sich die Wäschetrommel oder die Welt drehte.

Sie hatte daran gedacht, ihm mit der Steinguttasse auf den Kopf zu schlagen, bis es aus Trotz ging, hatte die Idee im nächsten Moment verworfen, aus Höflichkeit. Und überhaupt war es seit seiner Ankunft in die Höhe geschossen, sodass sie seinen Kopf mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht treffen konnte. Die Chopininterpret in ihrem Kopf wurde lauter, abgehackter. Jetzt half nur noch ein Wunder. Wenn es sie nicht mehr verstehen konnte, würde es vielleicht abziehen. Sollte sie ihm gegenübertreten und vollster Überzeugung nichts von sich geben? Aber nein, Unverständnis würde nie Sicherheit bringen. Es würde nur ins nächste Zimmer gehen, hinter der Tür warten. Also Schleudern und Grüntee aus der Zeit davor. Auf das Außen warten, das unweigerlich kommen würde, wem zu Hilfe, das war die Frage. Bis dahin würde sie hier sitzen bleiben, sich drehen und angewidert kalten Tee trinken, sie konnte gar nichts anders.

Und draußen, in anderen Zimmer wartete das Weiterkommen. Embrace.



Das Glück-Theorem in archiv,

 

Dieser Text erschien zunächst auf meinem alten Blog, Kopftheater. Hier soll er nun eine Reihe von Gastbeiträgen, vielleicht auch eigenen Worten, zum Glück einläuten. In der Encyclopedia felicis werden verschiedene Zugangsweisen erscheinen, sich dem Glück-Theorem anzunähern. Bald.

 

Das Glück-Theorem. Suchende.

In einem abgerissenen ehemals weißen Hemd lief ich die Straße hinunter, in Richtung meiner kleinen Maisonette, die natürlich nicht meine war. Sie war noch ein Stück weg, die Kneipe lag ein paar Häuserblocks entfernt, und mir ging langsam die Luft aus.

In der Kneipe wartete Tom auf mich, denn ich war mitten im Gespräch aufgestanden und losgelaufen. Warum ich wusste, dass er wartete? Nunja, ich konnte nur hoffen, aber Tom war immerhin mein bester Freund, wenn man zwei Menschen, die sich alle heiligen Zeiten einmal auf ein paar Drinks trafen, so bezeichnen konnte, beste Freunde. Aber ich wäre niemals auf die Idee gekommen, ihn anders, oder irgendwen anderen so zu nennen.  Und ich hatte kein Geld dagelassen. Schließlich würde ich auch wiederkommen.

Wir hatten über die Zukunft gesprochen. Was mit einer Frage nach der Lage der Nation, also dem aktuellen Finanzstand des Gegenübers, begann, artete schnell in Grundsatzdebatten aus. Basisoptimismus gegen Existenzverweigerung. Alles wie immer.

Tom war ein ruhiger Mensch, im besten Sinne des Wortes. Er machte sich keine Sorgen, weil ihm die zu anstrengend und in keinster Weise die Mühe wert waren. Ich machte mir Sorgen, weil mir ohne sie langweilig wäre. Was würde wohl aus der Welt werden, wenn es keine Sorgen mehr gäbe? Wenn, wenn, wenn. Unser Täglichbrot.

Ich war losgerannt um irgendeinen Zeitungsartikel zu holen. Irgendwas über Atomkraftgegner und ihre Proteste. Doch schon als ich zur Tür hinaus war, hatte ich vergessen, welchem Argument ich eigentlich zur Unterstützung eilen wollte. Es war auch egal, wir diskutierten schließlich um des Diskutierens Willen, nicht, um den anderen zu überzeugen. Eigentlich konnte ich auch ohne umkehren. Wir würden eben über Immaterielles reden. Das konnten wir ohnehin besser.

„Entschuldigung, haben Sie das Glück erfunden?“, fragte mich der Junge. Ich verstand zunächst nicht, mir fehlte es an Sauerstoff im Hirn. Er sah aus, als würde er nicht nur das Glück suchen, sondern viel mehr die Büchse der Pandora, angefüllt mit Wundern.

„Tut leid, mein Freund in der Kneipe da und ich suchen es selbst noch.“ Er schien vor lauter Enttäuschung zusammenzuklappen. „Aber ich weiß aus, sicherer Quelle, dass mir der Typ ähnlich sieht. Der mit dem Glück-Theorem. Komm mal mit, du siehst einem Typen ähnlich, der ein Bier vertragen könnte.“

 



iterationen ist mein digitales journal.

Iterationen deshalb, weil das hier eine neue Iteration einer alten, sich entwickelten Instanz ist, aber auch weil sich hier immer neue Iterationen von Gedanken finden werden.