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Unfallgesprächskultur und Stammcafés in archiv,

Bremer Freimarkt

Heute bin ich drei Wochen in Bremen. Ein Zeitpunkt so gut wie jeder andere, um ein paar erste Eindrücke festzuhalten. Ein Zeitpunkt, der meinem persönlichen Empfinden nach besser ist als jener nächste Sonntag, weil das erste Monat ja doch in irgendeiner Form ein zu gerader Zug wäre.

Ich mag es hier. Die wenigen Menschen, die ich bisher kennengelernt habe, sind durchwegs erfreulich und umgänglich und – was wichtig erscheint – scheinbar mit mir und meiner Persönlichkeit kompatibel. Da die Uni hier allerdings erst morgen angeht, sind diese netten, kompatiblen Menschen zum Größtteil wie ich Erasmus-Leute, ich kann also noch gar nichts über den Bremer Charme von mir geben, sollte es einen solchen denn geben. Tut mir leid.

Eine Anekdote zur Versinnbildlichung der erfrischenden Mentalität hier habe ich aber doch: Gleich in meinen ersten Tagen wurde ich, vor einem Café wartend, Zeuge eines kleinen Verkehrunfalls, als ein heranrollendes Auto einen bei der Ampel wartenden Fahrradfahrer streifte. Weiter nicht umgewöhnlich, es schien nichts allzu Grobes passiert zu sein. Ich stellte mich nun, als der Wiener der ich bin, auf eine Tirade von abfälligen Kommentaren in Richtung des unschuldigen Fahrradfahrers ein, ehrlich, wieso muss er auch die Straße benutzen, die ist ja für Autos da, Leute haben es ja eilig, et cetera. Aber, oh Wunder, der ausgestiegene Autofahrer entschuldigte sich und in einem Augenblick fanden sich einige helfende Passanten. Formalitäten und Unfallnotizen wurden ausgetauscht, ohne das ein böses Wort fiel, wenn überhaupt schien die Stimmung gegen den, aus meiner unprofessionellen Meinung auch tendenziell schuldigen PKW-Lenker zu gehen.

Ich weiß noch nicht, ob das eine Folge der angeblichen deutschen rationalen, bürokratischen Weltsicht ist oder ein Phänomen der durchaus fahrradfreundlich ausgelegten Stadt Bremen. Auf jeden Fall bin ich innerlich schon ein wenig eingenommen von einem Ort, wo zumindest in diesem Fall ein Stärkerer nicht hingehauen hat und das auch offensichtlich niemand erwartet oder hingenommen hätte.

Das Café, vor dem ich wartete, ist vorerst mal neben meinem Souterrain-Zimmer meine Basis. Man bekommt dort verschiedene Tees ohne komisch angeschaut zu werden, weil man im Kaffeehaus keinen Kaffee ordert, ich hatte dort schon eine stundenlange Unterhaltung über Theatertheorie mit meinem zukünftigen Professor und außerdem ist es nach einem Märchen benannt. Ich habe also ein Café gefunden, ein Umstand, der mich hoffnungsvoll stimmt. Es ist immer ein Meilenstein, in einer neuen Stadt ein Stammcafé zu finden. Ob das Rotkäppchen ans Jelinek herankommt, wird sich weisen. Erstmal bin ich soweit eingerichtet. Das Semester kann beginnen.

 

Das Wintersemester 16/17 verbringe ich via Erasmus an der Universität Bremen. Ab und zu werden hier also mehr klassische Blogeinträge à la Tagebucheintrag raufgehen, was aber hoffentlich auch die gewohnten Texte häufiger machen wird. Mal schauen.

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Aktion in archiv,

Wir hatten uns vor Ewigkeiten getroffen und saßen dann ebenso lange am Gehsteigrand vor dem Café, bevor wir eintraten. Man hatte uns auf unseren Zustand angesprochen.
– Wir bleiben hier.
– Das ist eine gute Idee, lass uns hierbleiben. Eine Tasse Kamillentee, bitte.
sagte er und es kam einer Liebeserklärung gleich.
Also bleiben wir hier. Und wir liebten einander, obwohl wir unsere Körper verabscheuten, aber der Geist steht über allem, wie ich ihm beim ersten Anzeichen von Zweifel erklärte, gepaart mit Übelkeit.
Er schwieg lange Zeit, in etwa zwei Tassen Tee oder drei Monate.
– Aktion, brachte sie hervor, mittlerweile hochschwanger.
– Aktion. Ak – tion.
Das verstand ich als Aufforderung und stand auf. Verständlicherweise fing er an, zu schreien, würde doch das ganze Ausmaß unserer horrenden Körperlichkeit sichtbar. Also begann ich zu tanzen, da ich sonst nichts konnte.
– Wir bleiben hier.
– Ja. Wir … bleiben … hier.
Das war uns genug Aktion für den Moment und die Ewigkeit. Wir würden bald Vater werden, hatte sie uns gesagt, als sie ging. Aber das waren nur Worte.



iterationen ist mein digitales journal.

Iterationen deshalb, weil das hier eine neue Iteration einer alten, sich entwickelten Instanz ist, aber auch weil sich hier immer neue Iterationen von Gedanken finden werden.