Einleitende Notiz: Der folgende Text hat als eine aktuelle Reaktion auf die Meldungen über Cambridge Analytica begonnen, ist aber über die letzten zwei Monate zu einer allgemeineren Bearbeitung von Grundsatzfragen zur Natur der sozialen Medien angewachsen. Nun geht dieser Anwuchs hin ins Allgemeine, so denke ich, halbwegs konform mit einer Bewegung im weiteren Diskurs. So hat schließlich die Debatte auch eine Befragung Mark Zuckerbergs im EU-Parlament hervorgebracht, auch die Existenzberechtigung der aktuellen Zustände wurde zunehmend in Frage gestellt. (Link: Facebook-Post von Michel Reimon, 22.5.2018) An dieser Stelle sei auch erwähnt, dass ich wenig bis keine Kenntnisse über die technischen Aspekte auf Code-Ebene habe und sich der Text vor allem in einer kulturtheoretischen Perspektive verortet sieht. Die wenigen spezifischen technischen Forderungen, die formuliert werden, sollten daher wohl eher als Wünsche und Leerstellen verstanden werden.
Der Text ist mit Abstand der längste, den ich auf diesem Blog postete und da sich 2000+ Worte, wie ich weiß, nicht besonders gut für das Blog-Format anleihen, sind hier Links zu den einzelnen Abschnitten:
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Ausgehend von der Annahme, dass wir als sinnbegabte und bewegende Wesen durch die Welt wandeln und durch unser Handeln und schon davor grundsätzlich durch unser Existieren die Welt gestalten, möglicherweise die Welt überhaupt konstruieren und aufbauen, ist die These, das uns alles Umgebende Material für diese Weltgestaltung ist, wie kleinteilig, miniskul und temporär sie auch ist.
Auf dieser Grundlage müssen wir uns eingestehen, dass wir im Umkehrschluss auch selbst als Material für die uns umgebenden gestaltenden Kräfte benutzt werden. Es ist gerade diese Natur als Material, welche Bewegung und damit Beziehung ermöglicht, Das Materialsein ist keine Abwertung unserer Existenz, auf einer idealistischen Ebene, es macht uns nicht zu einem willenlosen Werkzeug in den Händen anderer, potenziell höherer Kräfte, auf welche ich noch kommen will, und auch das oftmals strapazierte Bild der formbaren Masse bietet keine recht funktionale Passform.
Überhaupt erweist sich das hierarchische Gebäude, welches stets eine benutzende und eine benutzte Entität definiert und diese tendenziell auf einer krankhaften Intensität von Ungleichheit nicht als Benutzen, sondern als Ausnutzen formiert, als ein ebenso kränkliches wie omnipräsentes Strukturelement und Werkzeug unser zeitgenössischen wie historischen Markt- und Arbeitsverhältnisse. Einer Kritik dieser Zustände entspringt dann auch folgerichtig eine negative Sichtweise auf das Materialsein, woraus eine verständliche Kritik an allen Verhältnissen, die Menschen zu einer solchen Position des Materialseins bringen, formuliert wird.
Nun ist eine solche Zuschreibung als Material und nur als Material beziehungsweise daraus resultierende Materialketten, die parallel zu Produktionsketten einseitig nach unten hin die Eigenschaften des Materialseins weitergeben, meiner Ansicht nach ein fehlerhafter Auswuchs dieser benannten Markt- und Arbeitsverhältnisse, welcher durch die scheinbare Freiheit des Neoliberalismus nur maskiert und unterfüttert werden.
Ein wahres – also wahrhaftiges – Materialsein kann also nur ein dialektisches sein. Nur so entflieht es den Abhängigkeiten, die es schaffen würde, wenn nicht. In unseren Aktionen und Verhältnissen muss uns also klar bewusst sein, dass wir als Agierende, in dem Moment, in welchem wir uns etwas oder jemand anderes außerhalb unserer selbst zum Material machen, selbst zu deren Material erklären. Zunächst stellt dieses Zurverfügungstellen eine Abweichung von der Norm, einen Sonderzustand dar. Dem Gedanken weiterfolgend, wird aber schnell klar, dass wirklich nicht das Materialsein und auch nicht das Materialverwenden ein außergewöhnlicher Zustand ist, sondern der ruhende, weder verwendende noch verwendete Mensch ein absoluter Sonderfall, ja, eher noch eine kategorische Utopie und reines theoretisches Hilfskonstrukt ist. Vielmehr ist das wechselwirkende Materialsein ein essenzieller Ausdruck der grundlegenden zwischenmenschlichen Konnektivität. Darauf folgt eine Umwertung der Materialexistenz, die schließlich den Kern und die These dieses kurzen Texts bilden wird.
Denn wenn wir – was, wie ich glaube, konsensfähig ist – die zwischenmenschliche Konnektivität als einen positiven und darüber hinaus sogar als einen erstrebenswerten Aspekt des menschlichen Daseins annehmen, dann erhält das Materialsein in der Folge unweigerlich auch eine positive Konnotation, was gegenüber dem allgemeinen neoliberal-ausbeuterischen status quo, der vielmals auf eine systematische Maskierung des menschlichen Materials hinausläuft, eine ungemeine Aufwertung bedeutet.
Eine solche neue Sichtbarkeit der Materialität der zwischenmenschlichen Existenz gilt es nun erstmal zu etablierten, zuerst in der eigenen Wahrnehmung, dann in einem öffentlichen Diskurs: Die Dialektik des Materialseins muss offensiv performt und ausgestellt werden, denn es ist ine der Wissenssätze unseres Lebens, die uns inhärent bekannt sind, die aber vom zeitgenössischen (wie historischen) Kontext in einem so übertönenden Ausmaß überstrahlt werden, dass sie uns nicht mehr inhärent bewusst sind, sogar als fremd oder falsch gelesen werden. Wir müssen also unser Materialsein aus dem Nebel heben.
Womit dieser Text an einem Punkt angelangt ist, zu erwähnen, wie ich überhaupt an dieses Thema geraten bin.
Alexis Eynaudis Performance Chesterfield kehrt die Natur der Performenden als Material an vorderste Front. Schon meine erste Notiz – geschrieben während einem Probendurchlauf im vergangenen November, dem ich beiwohnte – ist ein Zeichen, wie prävalent die Dialektik im Tanzstück, das vom brut koproduziert Anfang Dezember 2017 im Volkskundemuseum Wien zu sehen war, ist.
Denn Chesterfield performt nicht nur ein Zurverfügungstellen des eigenen Körpers, um Material einer Performance zu werden, sondern beschäftigt sich intensiv mit der anderen Seite der Gleichung, die aus der Sackgasse einer selbstvergessenden Aufopferung hinaus führen. Denn wenn Alix Eynaudi sich zur Brücke wandelt, um ein Umfeld für den Akt der Bewegung unter dieser Brücke hindurch zu werden, oder ihre Beine so positioniert, dass sie jemanden als Sitz dienen können, so macht sie sich zu zur Verführung stehendem Material für diese Akte, ja. Aber gleichsam werden diejenigen, die diese Akte durchführen, zu ihrem Material. Was im Kern der leisen Bewegungen in Chesterfield steckt, ist die Tatsache/Annahme, dass Material ein unsere Existenz mitbegründender Anteil ist. Nicht die Performende, welche Material wird, wird benutzt, viel mehr liegt der Flow inversiert vor: Wenn sie zum Sitz/zur Lehne/zur Stütze wird, benutzt sie diejenige, die sich an sie lehnt. Agentielle Ordnung geht von den Materialmenschen aus, sie ordnen die Benutzenden so an, um sich das Materialsein zu ermöglichen.
Die Choreografie Eynaudis macht deutlich, was der Dialektik des Materialsseins – weitergedacht – fehlt, ein Fehlen, das sie final von den ausbeutenden Machtstrukturen trennt: Sie besitzt keinerlei hierarchische Anordnung. Denn Materialsein und Materialnutzen sind nicht getrennt möglich, niemand benutzt jemanden der benutzt wird, dauerhaft. Nutzen und Benutztsein, Ziehen und Sein sind ein und dieselbe Instanz, denn wenn der Sessel die Sitzenden benutzt, um sein Sesselsein ausüben zu können, also das Material die Materialisierenden nutzt, werden eben diese Materialisierenden zum Material der Performance seines Materialseins.
Die Tänzerin und Choreografin übersetzt diese Dialektik weiter auf Sprache, deren Gesprochenes nebensächlich bis irrelevant ist, ist sie doch vor allem eingesetzt, um einen Grund zu sprechen zu haben. Auch auf die in der Inszenierung sehr zentrale Materialität des Werkstoffs Leder, die der unmissverständlichen Körperlichkeit der Choreografie akzentuierend zuarbeitet, wird sie übertragen.
Aus einer Dialektik des Materialseins lassen sich ohne größere Mühe Schlüsse aus den Ecken der Selbsthilfe und -optimierung ziehen: Wir müssen uns selbst als das Material wahrnehmen, das wir brauchen, um uns nach unseren Vorstellungen zu formen.
Eine solche Lesart ist einfach und, denke ich, zu kurz gegriffen. Es liegt wenig widerständiges Potenzial darin, uns als Material wiederum nur auf uns selbst zu beziehen. Viel stärker kann eine Öffnung wirken. Eine Dialektik des Materialseins greift nach einer Zurverführungstellung und damit einer Bezugnahme. Sie fordert auf, sich zusammenzutun.
Social Medium: Anmerkungen zur Protokollnatur
06/06/201828.01.17, 17:47:51: Katka: Sehr wütend für deine Verhältnisse.
28.01.17, 17:49:46: Matthias: Hoffnung ist (m)eine Trotzhandlung, verdammt nochmal.
28.01.17, 17:50:13: Matthias: Ich glaube auch, dass Hoffnung für mich ein wütendes Thema ist.
28.01.17, 17:50:35: Katka: das ist interessant
28.01.17, 17:50:46: Katka: Die meisten wären entweder sehr positiv gestimmt
28.01.17, 17:50:51: Katka: oder enttäuscht resigniert, würde ich mal sagen.
28.01.17, 17:51:01: Katka: Wut ist eine seltene Reaktion auf Hoffnung.
28.01.17, 17:52:27: Matthias: Hoffnung ist ja auch für mich so eine widerständige Haltung.
29.01.17, 17:54:59: Matthias: Eine Geschichte über Hoffnung als solche zu erzählen,
29.01.17, 17:55:05: Matthias: ist schrecklich langweilig.
29.01.17, 17:55:18: Matthias: Das interessiert doch niemanden.
29.01.17, 17:55:27: Matthias: Hoffnung kannst du nur reflektieren.
29.01.17, 18:05:42: Katka: Aber Menschen funktionieren häufig nur aufgrund von Hoffnung.
29.01.17, 18:06:03: Katka: Sie brauchen das damit es ihnen gut geht.
29.01.17, 18:06:17: Matthias: Aber Hoffnung ist nichts, was man hat oder nicht.
29.01.17, 18:06:33: Matthias: Hoffnung ist eine Kulturtechnik die man anwendet.
29.01.17, 18:07:16: Katka: Ich weiß nicht.
29.01.17, 18:07:28: Katka: Man kann die Hoffnung verlieren.
29.01.17, 18:07:45: Katka: Muss man sie auch irgendwie mal haben.
29.01.17, 18:08:14: Matthias: Du kannst auch die Fähigkeit, Diskurse zu führen verlieren, deswegen ist Diskurs keine Eigenschaft.
29.01.17, 18:09:06: Katka: Aber die Fähigkeit muss man auch mal haben.
29.01.17, 18:09:28: Katka: Und man macht sich auch Diskurse zu eigen.
29.01.17, 18:09:34: Matthias: Man muss sie erlernen.
29.01.17, 18:09:36: Katka: Weil man sie bereichert.
29.01.17, 18:09:48: Matthias: Hoffnung ist eine Methode, kein Zustand.
29.01.17, 18:12:45: Katka: Ich seh das nicht so.
29.01.17, 18:13:06: Katka: Wenn etwas Freudiges passiert und man schon ganz upset war.
29.01.17, 18:13:29: Katka: Und dann kommt wieder etwas Hoffnung.
29.01.17, 18:13:38: Katka: Das ist mehr Zustand als Methode.
29.01.17, 18:14:11: Matthias: Allein schon sprachlich:
29.01.17, 18:14:17: Matthias: Du bist nicht in Hoffnung,
29.01.17, 18:14:23: Matthias: sondern du hoffst.
29.01.17, 18:15:15: Katka: Und wenn es eine Methode wäre,
29.01.17, 18:15:24: Katka: könnte man sich in deren Anwendung üben.
29.01.17, 18:15:28: Katka: Kann man aber nicht.
29.01.17, 18:15:38: Matthias: Nein, du kannst sie nur anwenden oder nicht.
29.01.17, 18:16:09: Katka: Jede Methode kann verbessert werden.
29.01.17, 18:16:15: Matthias: Deswegen ist Hoffnung auch unabhängig von realen Situationen.
29.01.17, 18:16:30: Matthias: Ted hofft auf die große Liebe,
29.01.17, 18:16:38: Matthias: weil er sich entscheidet zu hoffen.
29.01.17, 18:16:54: Matthias: Ganz irrelevant, wie viel beschissene Situationen da sind.
29.01.17, 18:18:52: Katka: Ja, Ted ist auch ein fester Trottel.
29.01.17, 18:19:10: Katka: Und Ted gibt es mal abgesehen davon nicht.
29.01.17, 18:19:34: Matthias: Es ist vollkommen egal, ob er existiert oder, ob er dumm ist
29.01.17, 18:19:47: Katka: Eben nicht.
29.01.17, 18:19:51: Matthias: Es geht nicht drum, ob das gut ist oder nicht.
29.01.17, 18:20:08: Matthias: Es geht drum, dass das ein Beispiel ist, dass Hoffnung ein Akt ist.
29.01.17, 18:20:10: Katka: Weil ein Seriencharakter mehr Möglichkeiten hat als ein realer Mensch.
29.01.17, 18:20:44: Katka: Weil er einen Supervisor oder halt Screenwriter hat.
29.01.17, 18:21:16: Matthias: Es geht doch nicht drum, ob das „fair“ ist oder, ob jemand es einfach hat oder nicht.
29.01.17, 18:21:17: Katka: Hoffnung ist daher nur insofern ein Akt, weil jemand fiktional Möglichkeiten einräumt.
29.01.17, 18:22:27: Matthias: Hoffnung ist ein widerständiger Akt gegen die Vorstellung, das Dinge passieren, weil sie nunmal passieren.
29.01.17, 18:22:55: Matthias: Das ist vollkommen unabhängig von den Möglichkeiten die jemand hat oder nicht hat.
29.01.17, 18:23:20: Katka: Nein eben nicht.
29.01.17, 18:23:29: Katka: Man hofft, weil man Erfahrungen hat.
29.01.17, 18:23:54: Katka: Und weiß, dass der Zustand schön ist und sich Hoffnungen erfüllen können.
29.01.17, 18:24:00: Katka: Sonst hofft man nicht.
29.01.17, 18:24:03: Matthias: Wenn dir viel Scheiße passiert ist, fällt es dir vielleicht schwerer oder ist es dir nicht mehr möglich, die Technik Hoffnung anzuwenden.
29.01.17, 18:24:27: Katka: Es ist ein Zustand,
29.01.17, 18:24:36: Katka: den du einnehmen kannst oder nicht mehr.
29.01.17, 18:24:49: Matthias: Ich hoffe, weil ich hoffen will und nicht, weil Hoffen Aufgabe wäre.
29.01.17, 18:25:53: Katka: Du hoffst, weil du noch kannst.
29.01.17, 18:26:08: Katka: Das hat wenig mit wollen zu tun.
29.01.17, 18:26:18: Matthias: Eben schon.
29.01.17, 18:26:41: Matthias: Ich habe durch kulturelle Arbeit gelernt, Hoffnung anzuwenden.
29.01.17, 18:27:18: Matthias: Und an Tagen, wo mein Kopf im Arsch ist,
29.01.17, 18:27:46: Katka: Kulturelle Arbeit nutzt dir einen Scheißdreck, wenn du von Faschos umgeben bist.
29.01.17, 18:27:52: Matthias: muss ich mich offensiv dazu entscheiden, Hoffnung zu verwenden, um mich gegen den Status quo zu stellen.
29.01.17, 18:28:19: Katka: Hoffnung können prinzipiell nur Menschen haben, die sich fürs Leben entscheiden.
29.01.17, 18:28:34: Matthias: Was hat das jetzt schon wieder mit Faschisten zu tun?
29.01.17, 18:28:51: Matthias: Kannst du nicht im Konzept bleiben?
29.01.17, 18:28:52: Katka: Ich glaube Hoffnung ist in extremen Situationen ein sehr rares Gut.
29.01.17, 18:29:09: Katka: Hoffen kann man nur, wenn es einem prinzipiell gut gehen kann.
29.01.17, 18:29:36: Matthias: Nein, find ich nicht.
29.01.17, 18:29:40: Katka: Jemand mit vielen Schmerzen wird wenig Hoffen,
29.01.17, 18:29:56: Matthias: Er wird es vielleicht nicht tun,
29.01.17, 18:30:15: Katka: weil Schmerz jeglichen guten Zustand untermauert.
29.01.17, 18:30:20: Matthias: aber du kannst immer hoffen in jeder Situation, wenn du einfach beschließt zu hoffen.
29.01.17, 18:30:35: Matthias: Hoffnung ist demnach kein Zustand.
29.01.17, 18:30:48: Matthias: Höchstens eine Haltung.
29.01.17, 18:31:03: Matthias: Hoffnung wird performed.
29.01.17, 18:31:56: Katka: Ich glaub das Hoffnung Bedingungen braucht.
29.01.17, 18:32:15: Katka: Hoffnung steht nicht an erster Stelle.
29.01.17, 18:32:29: Katka: Da müssen Grundbausteine gelegt sein.
29.01.17, 18:33:00: Matthias: Ich glaube, du verwechselst nicht hoffen können mit nicht hoffen wollen.
29.01.17, 18:34:30: Katka: Nein.
29.01.17, 18:34:50: Katka: Ich bin der Ansicht, dass Können von Faktoren abhängt.
29.01.17, 18:34:54: Matthias: Das Schöne an Hoffnung ist doch,
29.01.17, 18:35:01: Matthias: dass sie vollkommen irrational ist.
29.01.17, 18:35:10: Matthias: Und demnach unabhängig von Situation.
29.01.17, 18:36:17: Katka: Hoffnung sehe ich nicht als irrational.
29.01.17, 18:36:54: Katka: Wenn ich mich ins Bett lege und hoffe, dass ich gut und lange schlafe, dann ist das nichts Irrationales.
29.01.17, 18:37:30: Matthias: Aber du beschließt, zu hoffen, dass du gut schläfst.
29.01.17, 18:38:12: Matthias: Unabhängig davon, ob du weißt, wann du aufwachen musst.
zB 29.01.17, 18:38:51: Katka: Ich gehe nicht von Beschluss aus.
29.01.17, 18:39:08: Katka: Sondern von einem aufkommenden Gefühlszustand
29.01.17, 18:39:22: Katka: Ich beschließe maximal etwas rational,
29.01.17, 18:39:40: Katka: wie etwa um diese Uhrzeit einkaufen zu gehen.
29.01.17, 18:40:48: Katka: Bin mal Tee machen.
29.01.17, 18:48:02: Katka: Ich glaub wir machen einen Twitter Poll
29.01.17, 18:48:22: Katka: Ich will wissen, wie Menschen das Konzept Hoffnung sehen.
29.01.17, 20:18:41: Matthias: Ich finde das Begriffspaar Zustand und Akt ist am eindeutigsten
29.01.17, 20:19:19: Katka: ja.
30.01.17, 13:55:47: Katka: aber ich denke, dass du wissen sollst, dass mein Zugang nicht komplett irre ist und durchaus seine Berechtigung hat.
30.01.17, 13:56:49: Matthias: Dafür hast du eine Umfrage machen müssen?
30.01.17, 13:57:03: Katka: Unter anderem.
30.01.17, 13:57:28: Katka: Es wirkte nicht so, als dass du meinen Standpunkt in irgendeiner Weise legitimiert hättest sonst.
30.01.17, 13:58:12: Matthias: Wenn mehrere Leute einer angedichteten Norm zustimmen, macht es die Norm nicht weniger zur Norm.
30.01.17, 13:58:26: Matthias: Leute meinen, es sei ein Zustand, weil das schön wäre.
30.01.17, 13:58:55: Matthias: Das gäbe Ihnen absolute Kraft.
30.01.17, 13:59:07: Matthias: Und eine Ausrede, wenn sie keine Hoffnung mehr haben.
30.01.17, 13:59:28: Katka: Hoffnung könnte man immer als Ausrede sehen.
30.01.17, 13:59:44: Katka: Als Ausrede, Dinge zum Beispiel so zu sehen, wie sie wirklich sind.
30.01.17, 14:03:01: Matthias: Meiner Sichtweise nach eben nicht.
30.01.17, 14:03:12: Matthias: Weil, wenn du Hoffnung anwendest,
30.01.17, 14:03:37: Matthias: ist Hoffnung eine Reaktion auf etwas, dass du sehr wohl wahrnimmst.
30.01.17, 14:03:55: Katka: Aber dann als falsche Reaktion,
30.01.17, 14:04:00: Katka: wenn man es als Ausrede sieht.
30.01.17, 14:04:11: Katka: Wahrnehmung unterliegt ja auch Deutungsprozessen.
30.01.17, 14:04:42: Katka: Wenn man diese Prozesse falsch deutet, heißt das auch, dass womöglich Hoffnung egal in welcher Form,
30.01.17, 14:04:46: Katka: ob jetzt als eintretender Zustand
30.01.17, 14:04:51: Katka: oder als angewandte Reaktion,
30.01.17, 14:04:52: Katka: falsch sind.
30.01.17, 14:05:24: Matthias: Nein, Hoffnung kann nie falsch sein.
30.01.17, 14:05:33: Matthias: Weil sie nichts an Situationen ändert.
30.01.17, 14:05:44: Katka: Na eben doch.
30.01.17, 14:05:55: Katka: Ihre Betrachtungsweise wird massiv beeinflusst.
30.01.17, 14:06:04: Matthias: Es ändert nur deine Sichtweise auf eine Situation, aber nie die Situation selbst.
30.01.17, 14:06:57: Katka: Das leuchtet mir ja ein,
30.01.17, 14:07:34: Katka: dass sich die Situation nicht ändert
30.01.17, 14:07:42: Katka: und ich sagte das ja auch selbst
30.01.17, 14:07:46: Katka: dass es nur die Sichtweise ist,
30.01.17, 14:08:00: Katka: aber die Rückführung leuchtet mir nicht ein.
30.01.17, 14:08:08: Katka: Hoffnung kann halt schon auch falsch sein.
30.01.17, 14:08:21: Matthias: Aber demnach ist Hoffnung eine Praxis, die du aus verschiedenen Gründen anwenden kannst.
30.01.17, 14:08:44: Matthias: Aus Selbstschutz, aus Widerstand, aus Verleugnung …
30.01.17, 14:09:27: Matthias: Dieses „falsche Hoffnung machen“ ist ein dummes Idiom.
30.01.17, 14:09:44: Matthias: Weil Hoffnung was ganz anderes tut.
30.01.17, 14:09:52: Matthias: Hoffnung verspricht dir nichts.
30.01.17, 14:10:32: Matthias: Hoffnung ist deine Entscheidung, einen guten Ausgang zu erwarten.
30.01.17, 14:11:01: Matthias: Diese Entscheidung ändert dich und deine Wahrnehmung in dem Moment in dem du hoffst.
30.01.17, 14:11:30: Matthias: Aber ob dieser gute Ausgang dann Eintritt, ändert nichts an der Legitimität der Erwartung.
30.01.17, 14:14:17: Katka: ich gehe halt immer noch davon aus,
30.01.17, 14:14:23: Katka: dass man einen Zustand einnimmt
30.01.17, 14:14:24: Katka: oder eben nicht.
30.01.17, 14:14:37: Matthias: Siehst du
30.01.17, 14:14:39: Katka: Falsche Hoffnungen macht man sich auch nicht.
30.01.17, 14:14:44: Matthias: Du nimmst einen Zustand ein.
30.01.17, 14:14:46: Katka: Die werden einem vermittelt.
30.01.17, 14:14:51: Matthias: Du hast keinen Zustand.
30.01.17, 14:14:52: Katka: Das ist wieder ein Zustand, den man hat.
30.01.17, 14:15:08: Matthias: Hoffen ist das Einnehmen des Zustandes.
30.01.17, 14:15:21: Katka: Ja, eben nicht ganz.
30.01.17, 14:15:33: Katka: Hoffnung ist jetzt auch keine eigene Entscheidung,
30.01.17, 14:15:48: Katka: weil ich von einer Entscheidung erwarte, dass sie rational getroffen wird.
30.01.17, 14:15:57: Katka: Sonst gehe ich von einer Reaktion aus.
30.01.17, 14:16:02: Matthias: Ein Zustand Hoffnung würde einfach auftreten unmotiviert.
30.01.17, 14:16:16: Katka: Tut es ja auch.
30.01.17, 14:16:29: Katka: Ich entschließe mich ja nicht dazu: „Hm, heute gibt es Grund zur Hoffnung.“
30.01.17, 14:16:40: Matthias: Rationalität ist, denke ich, ein kapitalistisches Wertkriterium.
30.01.17, 14:17:02: Katka: Das wäre das nächste zum Diskutieren.
30.01.17, 14:17:25: Matthias: Du entschließt dich, vielleicht mittels Automatismus, zu hoffen.
30.01.17, 14:17:35: Matthias: Ob es Grund dafür gibt, ist egal.
30.01.17, 14:17:48: Matthias: Wenn es Grund dazu gäbe,
30.01.17, 14:17:56: Katka: Wenn ich dir zustimmen müsste,
30.01.17, 14:17:59: Matthias: könntest du ja kausale Erwartung haben.
30.01.17, 14:18:04: Katka: dann würde ich Hoffnung maximal als Reaktion wahrnehmen,
30.01.17, 14:18:11: Katka: aber nicht als eigenständige Entscheidung ohne Gründe,
30.01.17, 14:18:17: Matthias: Hoffnung ist etwas, das ohne Grund funktionieren muss.
30.01.17, 14:18:20: Katka: weil Entscheidungen immer Gründe mit sich ziehen.
30.01.17, 14:18:43: Katka: Selbst wenn es Emotionales betrifft.
30.01.17, 14:19:04: Matthias: Hoffnung ist eine Entscheidung, die auf einer gänzlich anderen Wahrnehmungsebene agiert als Gründe.
30.01.17, 14:19:25: Katka: Wenn ich beschließe, nicht mit dir zu reden, dann hat das den Grund dass ich womöglich wütend auf dich bin beispielsweise.
30.01.17, 14:19:48: Katka: Wo ordnest du Hoffnung ein?
30.01.17, 14:20:08: Matthias: Wir sollten diese Diskussion eigentlich rausschreiben.
30.01.17, 14:20:40: Matthias: Hoffnung ordne ich ein als fast schon gegenläufiges Prinzip.
30.01.17, 14:20:50: Katka: Ja aber in welche Kategorie?
30.01.17, 14:20:53: Katka: der Prinzipien?
30.01.17, 14:21:02: Katka: Für mich fällt es nämlich unter Emotionen.
30.01.17, 14:21:11: Katka: Und da glaub ich, dass wir nicht zusammenkommen.
30.01.17, 14:22:03: Matthias: Ich finde, Hoffnung ist eine Praxis und demnach unabhängig von den Kategorien.
30.01.17, 14:22:03: Katka:Für mich ist es nämlich in der gleichen Kategorie wie Begeisterung, Trauer, Wut, Zweifel.
30.01.17, 14:22:38: Matthias: Weil ich eine Methode der Wahrnehmung auf Emotionen genauso anwenden kann wie auf den Ausgang eines demokratischen Akts.
30.01.17, 14:23:05: Katka: Ja, aber du kannst doch Begeisterung nicht anwenden.
30.01.17, 14:23:08: Matthias: Für mich ist Hoffnung ein Werkzeug.
30.01.17, 14:23:20: Matthias: Hoffnung ist auch nicht Begeisterung.
30.01.17, 14:23:39: Matthias: Hoffnung kann Begeisterung hervorbringen.
30.01.17, 14:23:44: Katka: Deswegen geht mir dein Denken auch nicht in den Kopf rein.
30.01.17, 14:23:57: Katka: Hoffnung ist für mich keine Kategorie drüber,
30.01.17, 14:24:02: Katka: sondern auf gleicher Stufe
30.01.17, 14:24:07: Katka: wie etwas Begeisterung.
30.01.17, 14:24:16: Katka: Wenn, dann würde ich Liebe der Hoffnung vorordnen.
30.01.17, 14:24:37: Katka: Ohne diese wäre Hoffnung nicht möglich,
30.01.17, 14:24:51: Katka: Weil Hoffnung ja für mich bedingt, dass man gute Erfahrungen gemacht hat.
30.01.17, 14:25:07: Katka: Sonst entsteht sie ja gar nicht.
30.01.17, 14:25:41: Matthias: Das ist der Punkt, an dem ich nicht mitkann.
30.01.17, 14:26:00: Matthias: Hoffnung hat für mich nichts mit Rationalität zu tun.
30.01.17, 14:26:27: Matthias: Und ist deswegen völlig unabhängig von meinen Erfahrungen.
30.01.17, 14:26:45: Katka: Für mich hat Hoffnung auch wenig mit Rationalität zu tun.
30.01.17, 14:27:00: Katka: Ich würde gute Erfahrungen als Nährboden für Hoffnung sehen.
30.01.17, 14:27:06: Matthias: Aber wenn du sagst, dass du Vergleichswerte brauchst,
30.01.17, 14:27:19: Matthias: Dann ist Hoffnung für dich etwas Logisches?
30.01.17, 14:27:34: Katka: Nicht unbedingt.
30.01.17, 14:27:43: Katka: Um es in einer Metapher an dich heranzutragen:
30.01.17, 14:27:59: Katka: Du siehst eine Blumenwiese, die wunderschön ist.
30.01.17, 14:28:08: Katka: Die ist da, weil es einen guten Nährboden gibt.
30.01.17, 14:28:15: Katka: Etwas, worauf es wurzeln kann.
30.01.17, 14:28:26: Katka: Das ist Hoffnung für mich.
30.01.17, 14:28:38: Matthias: Um in der Metapher zu bleiben:
30.01.17, 14:29:01: Matthias: Für mich ist Hoffnung das Gießen der Blumen.
30.01.17, 14:29:15: Matthias: Nicht die Blumen selbst.
30.01.17, 14:29:31: Katka: Für mich ist Hoffnung nicht die Blume, sondern der Boden, der Blumen wachsen lässt.
30.01.17, 14:29:50: Katka: Du kannst nämlich Blumen gießen so viel du willst,
30.01.17, 14:29:56: Katka: wenn sie auf Beton stehen, werden sie nicht wachsen.
30.01.17, 15:08:18: Matthias: Aber der Hoffnung ist es doch auch scheißegal, ob die Blumen wachsen.
30.01.17, 15:08:25: Matthias: Hoffnung ist präzise:
30.01.17, 15:08:43: Matthias: Die Blumen zu gießen, egal ob sie wachsen oder nicht.
30.01.17, 15:09:26: Katka: Eh.
30.01.17, 15:09:38: Katka: Es ist nur verschwendet irgendwie.
30.01.17, 15:10:14: Matthias: Ja aber Verschwendung oder Nutzen ist keine Kategorie, in der Hoffnung agiert.
30.01.17, 15:11:18: Katka: Du weißt schon, was ich mein.
30.01.17, 15:11:35: Matthias: Ich weiß, wo du hinwillst, ja.
31.01.17, 17:01:34: Matthias: Ich überlege den ganzen Tag nach einer Form für den Dialog.
31.01.17, 17:03:24: Katka: Für welchen jetzt?
31.01.17, 17:06:10: Matthias: Das Ding mit der Hoffnung.
31.01.17, 17:10:43: Katka: Genauso
31.01.17, 17:10:49: Katka: Nur adaptiert.
Mehr von Katharina findet ihr auf www.katkaesk.com.
Kommunikation verläuft auf Bahnen und Bahnen benötigen Schienen.
Nun kann man diese Schienen nur schlecht einen Wert beimessen, der die Kategorisierung in „gut“ und „schlecht“ ermöglicht. Neue Schienen sind nicht besser oder schlechter als die alten, sie erschließen schlichtweg neue Destinationen. Das Kommunikationsnetz wird erweitert, nicht ersetzt.
In meinem Gebrauch hat die wohlkomponierte Email als Äquivalent zum Brief Einzug gehalten. Ich sitze vor dem leeren Fenster von Mail genauso inspieriert, aber hilflos wie an anderen Tagen vor dem leeren Blatt Papier. Was nicht heißt, dass ich den ungeheuren Wert von echtem Papier in den Händen leugne, ich will ihn aber auch der Betreffzeile auf LCD zugestehen. Und ist ein Medium nicht immer das, was wir ihm zugestehen?
Dass dann das gewählte Medium Einfluss auf das Mitgeteilte ausübt, ist viel diskutiert worden, aber heute wohl fester Haltepunkt. Nun kann man aber überlegen, in welcher Weise diese Beeinflussung über die mediale Bühne geht. Gibt es einen gewachsenen Code für Email, Brief und SMS, an den es sich verbindlich zu halten gilt? Muss der sein, um Verständlichkeit am anderen Ende zu garantieren, frei nach Jakobson?
Ich denke, dass das dem Menschen zu wenig Kredit gibt. Natürlich muss ein beidseitig bekannter Code eingehalten werden, aber der Kontext, der kann variieren. Wenn ich meine Emails formuliere wie Briefe, werden sie auch als das verstanden, selbst wenn sie nicht im Kuvert kommen.
Deswegen denke ich auch nicht, dass der so genannte „digitale Slang“ der Alltagssprache entgegenwirkt, sie ohne Rücksicht auf Verluste degeneriert. Vielmehr fügt er ihr eine weitere Variante hinzu. Wie diese Variante aufgenommen wird, hängt schließlich von vielen Dingen ab, von denen der verwendete Code nur ein verschwindend geringes ist.
So wie in meiner Heimatgemeinde derzeit über eine neue Art von Straßenbahn, die frei von fixem Fahrplan und Liniennetz agieren soll, nachgedacht wird, sollte auch über eine Öffnung, einer Freimachung von Kommunikationsnetzen gesprochen werden. Sprachliches Unverständnis, welches abseits von Nicht-Beherrschung des Codes existiert, resultiert wohl aus eingefahrenen Streckenführungen, die sich so sehr in den Boden gefressen haben, dass nur noch mit äußerster Mühe über ihren Rand gesehen werden kann. Da erfordert es ein wenig Anstrengung von allen Beteiligten, neue Verbindungen aufzubauen. Denn bevor die Sprache von ihrem Medium gelöst werden kann, sollte der Boden der Verständnis zumindest durchgeackert sein.
Bislang beschränkt sich mein Benutzen von der kolportierten Netzsprache offline darauf, das Netz um des Arguments willen nachzubauen, ich benutze Akronyme und Memes, um einen Effekt hervorzurufen. Dieser ist einerseits wohl der Deplatziertheit geschuldet, die dieser Internetjargon außerhalb seiner Jagdgründe aufweist, andererseits seiner inhärenten Anschaulichkeit geschuldet. Für mich ist Netzsprache vor allem eine sehr bildhafte Sprache, die schon durch ihr simples Auftreten Raum für Multimedialität aufruft und so verschiedene Reize unter ihrem Banner vereint.
Hier treten die größten Übertrittsschwierigkeiten in den Alltagsraum auf: Diese Bildlichkeit in die mündliche Kommunikation zu übersetzen, stellt zumindest mich vor konzeptuelle Probleme, an denen es zu sägen, hämmern, graben gilt, mit einem Ziel, das da heißt Codeflexibilität. Mögen die Codes in den Loks sitzen!
Dieser Text will Teil von twenty.twentys Blogparade zum Thema Netzsprache sein.