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Drei Bücher, zwei Filme, ein Album – 2014 in Medien archiv// Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag

2014 hätten wir geschafft, mehr oder weniger. Es ist viel passiert und noch weniger weitergegangen in der Welt. Und wie das so ist, gilt es ein wenig Bilanz zu ziehen (wenn auch auf den letzten Drücker!). Da ich mich aber ohnehin das ganze Jahr über beschwerer, will ich diese Gelegenheit dazu nutzen, einen Blick auf die Habensseite zu werfen.

Persönlich habe ich heuer zumindest zwei ganz gute Arbeiten, eine zur Bewegung als Geschichtsbewältigung bei Arno Geiger und eine zur Funktion und Konstruktion von Gartenräumen bei Jules Verne, geschrieben. Literarisch ist auch so manches auf Papier gekommen, das meiste hängt allerdings noch im Limbus diverser Wettbewerbs- und Zeitschriftenredaktionen. Darüber kann man also noch nicht viel Aussagekräftiges berichten, vielleicht schreibe ich irgendwann über die komische Mixtur aus Hoffnung und Vernichtungsgewissheit, die dieser Prozess erzeugt, aber jetzt will ich ein bisschen auf das Werk anderer schauen.

Was hat mir dieses Jahr gegeben, jetzt immer kulturtechnisch gesehen?

Da wären vorerst die Bücher. Ich habe mich in meiner Auswahl auf diesjährige Erscheinungen beschränkt, aus Zeit- und Platzgründen, dem größten Problem all meiner kuratorischen Ambitionen. Deshalb weil ich auch noch andere Medien besprechen will, bringe ich auch nur meine Top 3 und nicht, wie vielerorts üblich, meine Top 10 dar:

Die Einzigen, von Norbert Niemann, erschienen beim Berlin Verlag.

Dieser Roman über die älter werdenden ehemaligen Mitglieder einer avantgardistischen Band hat viel Gutes, allen voran eine Stimme seines Protagonisten, die glaubhaft den Spagat zwischen nostalgischer Hoffnungslosigkeit und Zukunftsglaube schafft. Er beschreibt ein Gefühl, welches wohl viele kennen, keine Perspektive zu haben, aber trotzdem nicht aufgeben zu können. Einzig ein recht schwaches Ende platziert diesen Text auf dritter und nicht höherer Stelle.

 

Bilder deiner großen Liebe, von Wolfgang Herrndorf, erschienen bei rowohlt.

Wenn wir uns mit der Buchform von Arbeit und Struktur ein stückweit vom Menschen und Blogger Wolfgang Herrndorf verabschieden konnten, so ist dieser kleine Roman dieser Abschied von seiner Literatur und seinen herzlich verschrobenen Figuren. Ein Kunstgriff, welcher an Hofmannsthal erinnert, lässt eine genaue Zuordnung zu wahr oder falsch schon zu Beginn nicht zu und wirft so nochmal alle Regeln über Bord. Dass man die Unvollständigkeit erkennt, stört hierbei gar nicht, vielmehr spielt es verstärkend in das Konzept mit ein.

 

Gräser der Nacht, von Patrick Modiano, erschienen bei Hanser.

Ich kannte Modiano nicht, bevor er den Nobelpreis bekam,  das Buch erstand ich mehr oder weniger im Vorübergehen von einem dieser Nobelpreistische, die nach der Verleihung vor allen Buchläden auftauchen. Und es erwies sich als Glücksgriff und fungiert für mich als perfektes Beispiel, was Literaturpreise neben der Ehrung und Finanzierung von Schriftstellerleben sein sollen: Ein großes Pappschild auf dem in dicken Marker und großen Lettern steht: „Hey, lies mal rein, wir finden das hier gut!“ Dass hierbei viel mehr junge, neue Literatur zum Zug kommen sollte, ist ein anderes Thema.

Gräser der Nacht ist mit Abstand das beste Buch, das mir 2014 unter die Finger gekommen ist. Der spielerisch leichte Wechsel zwischen den Jahrzehnten und Wahrnehmungsebenen , gepaart mit einem Plot, der scheinbar selbst noch nicht weiß, in welche Richtung er sich entwickeln will, während er passiert, erzeugt ein Leseerlebnis im wahrsten Sinne des Wortes und das Gefühl, bei nochmaligen Lesen könnte etwas ganz anderes erzählt werden.

 

Im Anschluss will ich ein paar wenige, zwei, um genau zu sein, filmische Werke herausstellen, die neben meinem exzessiven Nutzen meines neuen Netflix-Accounts herausgestochen haben:

The Zero Theorem, von Terry Gilliam.

Ein Film, der mich keine 48 Stunden später schon wieder ins Kino zieht, ist ein Novum. Dass ich begeistert davon war, kann man mittels meines Textes Nie mehr Tannenbäume unschwer erkennen. Gilliam hat eine Welt erschaffen, die in sich ganz neu und noch nicht ganz schlüssig, nach außen trotzdem kohärent und unserer heutigen nicht ganz unähnlich erscheint. Mit Christoph Waltz hat er zudem die perfekte Besetzung, die er daran zerbrechen lassen kann. Kein einfaches Vergnügen, aber dafür ein umso größeres.

 

Last Christmas, Weihnachtsspecial Doctor Who.

Niemals mehr gedacht, dass noch zu erleben, und doch ist es wahr geworden: Ein Doctor Who-Folge aus der Feder von Stephen Moffat, die kein riesiges (Plot-)Loch in meiner Seele hinterlässt. Mit Abstand die beste Story seit 12 und endlich eine Clara, die einem am Herzen bleibt.

 

So. Jetzt gibt es noch ein Thema und das wäre die Musik. In der Musik ist 2014 etwas passiert, das mich zuerst in ungläubiges Staunen und dann in helle Begeisterung versetzt hat: 1989.

2014 war das Jahr von Taylor Swift, dieses Album ist alles, was an Pop jemals gut war und was an Pop schon so lange nicht mehr gut war. Des immergleichen Country-Sounds entledigt liefert die Scheibe unnachgiebig selbstsichere Hymnen, ohne dem früher so allgegenwärtigen Blick zurück. Alles, was mich auf meinem verschneiten Balkon tanzen lässt, ist Goldes wert.

Schlussendlich will ich hier noch ein paar Blogs listen, die ich dieses Jahr besonders gerne gelesen habe:

Wir schreiben auf katkaesk.

Ich mag dich gut leiden. ebenda.

Herr Leitner vermisst unbekannte Verwandte. auf Neon|Wilderness. Ebenso die anderen Herr Leitner … Teile.

Immer nur. Nie. ebenda.

abgedichtet(3) auf kleinerdrei.

Das Problem mit halben Sachen auf viennella.

Und zuletzt in eigener Sache: Mein liebster Blogtexte 2014 war Einskommafünfzwei Kilometer.

iterationen ist mein digitales journal.

Iterationen deshalb, weil das hier eine neue Iteration einer alten, sich entwickelten Instanz ist, aber auch weil sich hier immer neue Iterationen von Gedanken finden werden.